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Erben und Vererben Kinder, die pflegen, bekommen mehr.

Ausgleich von Pflegeleistungen bei der Teilung des Nachlasses

Die Pflege von Angehörigen, insbesondere der Eltern findet häufig noch in der Wohnung statt und wird oft von einem der Kinder erbracht und geleistet, das in örtlicher Nähe zu den Eltern leben. Wenn die Eltern dann gestorben sind, finden sich oft keine Anweisungen oder testamentarische Regelungen, ob und wie solche Leistungen der Kinder bei der Teilung des Nachlasses zu berücksichtigen sind. Wenn mehrere Geschwister als Erben in Frage kommen und die Pflegeleistungen nicht von allen Geschwistern gleichmäßig erbracht worden ist, was in der Praxis selten der Fall ist, ist die Diskussion unter den Geschwistern vorprogrammiert, ob und in welcher Weise solche Pflegeleistungen, die sich ja manchmal über Jahre erstreckt haben, zu berücksichtigen sind.

Der Gesetzgeber hat deshalb vor einigen Jahren mit dem § 2057 a BGB eine gesetzliche Regelung geschaffen, unter welchen Umständen solche Pflegeleistungen bei der Erbauseinandersetzung Berücksichtigung zu finden haben. Leider kann man aus der gesetzlichen Regelung nicht unmittelbar Zahlen ableiten, der Gesetzgeber hat nur bestimmt, dass Kinder, die durch Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers während längerer Zeit in besonderem Maße dazu beigetragen haben, dass das Vermögen des Erblassers erhalten oder vermehrt wurde, bei der Auseinandersetzung des Nachlasses eine Ausgleichung zwischen den Geschwistern verlangen können, die der „Billigkeit“ entspricht. Diese sehr allgemeine Formulierung des Gesetzes führt natürlich zu Schwierigkeiten bei der Berechnung im Einzelfall und häufig zu völlig divergierenden Vorstellungen unter den Geschwistern.

Eine Hilfestellung zur Berechnung hat jetzt das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einer Entscheidung aus Februar 2020 gegeben und in einem ausführlich begründeten Urteil Wege zu einer konkreten Berechnung des Ausgleichsbetrages aufgezeigt. Das Gericht stellt klar, dass unter Pflegeleistungen jedenfalls solche Leistung zu verstehen sind, die unter dem Begriff der Pflegebedürftigkeit im Sinne des Sozialgesetzbuches Teil XI fallen, also Hilfeleistung im Bereich der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Solche Leistungen müssen über einen längeren Zeitraum erbracht werden und deutlich über das hinausgehen, was von anderen Kindern erbracht worden ist, also über das hinausgehen, was im Rahmen einer normalen Eltern-Kind-Beziehung erwartet werden kann und geleistet wird.

Die Beiträge zur Erhaltung des Vermögens der Eltern können dabei auch darin liegen, dass ansonsten notwendige Ausgaben erspart worden sind, also etwa die Beträge, die ansonsten jenseits der Leistungen der Pflegeversicherung zusätzlich für eine professionelle Pflege oder gar eine ansonsten notwendige Heimunterbringung hätten ausgegeben werden müssen. Nach Auffassung des Gerichtes kann bei einer Berechnung eines Ausgleichsbetrages auch der Zeitaufwand der Pflege berücksichtigt werden, wobei dabei auf die pauschalierten Ansätze der Pflegestufen zurückgegriffen werden kann.

Im konkreten Fall hat das Gericht bei einem Gesamtnachlass von rund 166.000,00 € einem pflegenden Kind, das die verstorbene Mutter über einen Zeitraum von zehn Jahren mit zunehmender Intensität gepflegt hatte, einen Betrag von 40.000,00 € als billigen Ausgleich für die erbrachten Leistungen bei der Teilung des Nachlasses zugebilligt. Bei drei erbberechtigten Kindern bedeutete dies, dass die pflegende Tochter 82.000,00 € erhielt, die beiden anderen Geschwister jeweils nur noch 42.000,00 €.Trotz dieser Hinweise in der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Frankfurt bleibt die Berechnung eines solchen Ausgleichungsbetrages im konkreten Fall aber immer schwierig und sollte nicht ohne Hilfe eines spezialisierten Anwaltes vorgenommen werden, damit nach Möglichkeit eine Einigung unter den Erben ohne gerichtliche Entscheidung möglich wird.

Beitrag veröffentlicht am
8. September 2020

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